Zwischen Schule und Schichtdienst – Wie realistisch ist eine Ausbildung für junge Menschen in Pflegeberufen?

Olav

Zwischen Schule und Schichtdienst – Wie realistisch ist eine Ausbildung für junge Menschen in Pflegeberufen?

Zwischen Schule und Schichtdienst – Wie realistisch ist eine Ausbildung für junge Menschen in Pflegeberufen?

Die Pflege gehört zu den systemrelevanten Branchen, in denen der Bedarf an qualifiziertem Nachwuchs bereits seit Jahren steigt. Dennoch bleiben viele Ausbildungsplätze unbesetzt.

Trotz des gesellschaftlichen Bewusstseins für die Bedeutung dieser Berufe, entscheiden sich nur wenige Schulabgänger für eine Pflegeausbildung. Aber warum fällt der Einstieg so schwer – und was müsste sich in Zukunft ändern?

Hoher Bedarf, sinkendes Interesse

Laut Bundesagentur für Arbeit ist der Fachkräftemangel in der Pflege so hoch wie in kaum einem anderen Berufsfeld. 2023 blieben rund 14.500 Ausbildungsplätze im Gesundheits- und Sozialwesen unbesetzt. Besonders betroffen ist davon die Altenpflege.

Dabei ist der demografische Wandel eindeutig: Die Zahl der Pflegebedürftigen wird laut Statistischem Bundesamt bis 2055 voraussichtlich auf 6,8 Millionen steigen. Gleichzeitig sinkt die Zahl junger Menschen, die sich für eine Ausbildung in diesem Bereich entscheiden. Viele schrecken vor allem vor den Arbeitsbedingungen zurück: Schichtarbeit, die hohe körperliche und psychische Belastung, sowie eine vergleichsweise niedrige Ausbildungsvergütung zählen zu den Hauptgründen.

Zwischen Testphase und Ausbildung

Nicht jeder ist bereit, sich direkt nach der Schule auf eine dreijährige Pflegeausbildung festzulegen. Aus diesem Grund suchen viele nach Wegen, den Beruf zunächst kennenzulernen – etwa in Form von Praktika, Freiwilligendiensten oder kurzfristigen Tätigkeiten.

Einige nutzen dabei auch den Einstieg über ein Temporärbüro Pflege, um erste Erfahrungen im Stationsalltag zu sammeln. Die zeitlich befristeten Einsätze bieten die Möglichkeit, unterschiedliche Einrichtungen und Arbeitsbereiche kennenzulernen, ohne sich sofort für einen festen Ausbildungsweg zu verpflichten. Diese Übergangsformen bieten wichtige Orientierung, ersetzen aber keine fundierte Ausbildung.

Wie sieht der Ausbildungsalltag wirklich aus?

Seit dem Inkrafttreten des Pflegeberufegesetzes im Jahr 2020 ist die Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann generalistisch angelegt. Sie dauert in der Regel drei Jahre und führt zu einem europaweit anerkannten Abschluss. Der theoretische Unterricht erfolgt an Pflegeschulen, während die praktische Ausbildung in Krankenhäusern, Pflegeheimen und ambulanten Diensten stattfindet.

Inhaltlich werden pflegerische, medizinische, soziale und rechtliche Themen vermittelt. Besonders herausfordernd ist dabei die enge Taktung der Theorie- und Praxisphasen. Wer die Ausbildung beginnt, braucht somit neben Durchhaltevermögen auch eine hohe soziale Kompetenz.

Doch auch strukturelle Probleme erschweren den Weg: Die Ausbildungsvergütung liegt – je nach Träger – zwischen 1.190 und 1.350 Euro brutto im ersten Jahr. Viele Auszubildende berichten zudem von einer hohen Arbeitsdichte, fehlender Anleitung in der Praxis und einer schlechten Vereinbarkeit mit dem Privatleben.

Reformen mit begrenzter Wirkung

Durch die Reform 2020 sollten die Pflegeberufe attraktiver werden. Die neue einheitliche Ausbildung, die bessere Vergütung und die Möglichkeit, sich später zu spezialisieren, galten als Hoffnungsschimmer.

Die gewünschte Trendwende ist bislang allerdings ausgeblieben. Expertinnen und Experten fordern daher zusätzliche Maßnahmen – beispielsweise mehr begleitende Mentorenprogramme, flexiblere Arbeitszeitmodelle während der Ausbildung und auch eine bessere Integration pflegerischer Themen in den Schulunterricht.

Zudem gibt es Überlegungen, Schulabgänger mit mittlerem Bildungsabschluss gezielt anzusprechen. Eine wichtige Rolle könnten dabei auch Berufsorientierungsangebote spielen, die über die gängigen Berufsmessen hinausgehen. Direkte Einblicke in den Pflegealltag – etwa durch Projekttage, Simulationen oder echte Pflegesituationen – würden helfen, bestehende Vorurteile abzubauen.

Realistisch, aber nicht selbstverständlich

Eine Ausbildung in der Pflege ist für viele junge Menschen vorstellbar  – aber sie verlangt viel. Wer sich dafür entscheidet, trägt nicht nur Verantwortung für andere, sondern muss sich auch mit der eigenen Belastungsgrenze auseinandersetzen.

Das System selbst steht dabei in der Pflicht, Rahmenbedingungen zu schaffen, die diesen anspruchsvollen Einstieg nicht unnötig erschweren. Was dafür gebraucht wird, sind jedoch mehr als Reformen auf dem Papier: Es geht um echte Begleitung, Anerkennung und langfristige Perspektiven – dann kann aus Interesse auch Berufung werden.